Bildverarbeitung mit Fuzzy- Techniken

Jahrbuch Elektrotechnik 1996, Band 15

Dr. Rudolf Felix, Rainer Albersmann, Claudia Kaffka


1. Einleitung

Die Fuzzy Bildanalyse ist in Verbindung mit professionellen Soft- und Hardwarekomponenten eine wichtige, ausgereifte Innovation bei der wirtschaftlichen Nutzung der digitalen Bildverarbeitung.
Im Rahmen des Common Vision Concepts (CVC), eine Standardplattform für Bildverarbeitungsapplikationen, die von der Firma Stemmer Imaging GmbH entwickelt wurde, stehen drei Fuzzy- Module zur Verfügung.
Das CVC- Modul FuzzyDecisionDesk-Surface ist auf der "Algorithmischen Ebene" angesiedelt, während die Module FuzzyDecisionDesk-Relation und FuzzyDecisionDesk-Image der "Entscheidungs-Ebene" angehören.

2. FuzzyDecisionDesk-Surface (FDDs)

Mit dem FDDs lassen sich beliebige Oberflächen von Materialien wie z.B. Gummi, Holz, Metall oder beschichtete Materialien identifizieren und klassifizieren. Der Benutzer kann ohne Programmierung zur Laufzeit des Systems die jeweilige Bildanalyseaufgabe trainieren, indem er Qualitäts- oder Typenklassen benennt und die jeweiligen Klassen mit charakteristischen Referenzbildern füllt.
Das Hinzufügen von neuen, bisher nicht bekannten Qualitäts- oder Typenklassen sowie von Referenzbildern ist auch möglich.

3. FuzzyDecisionDesk-Relation (FDDr)

Mit dem FDDr können zwei beliebige Signalverläufe verglichen werden. Das Ergebnis des Vergleichs gibt den Grad der Ähnlichkeit im Intervall [0,1] an, so dass der Wert 1 die Identität der Signalverläufe anzeigt und ein Wert <1 die graduelle Abstufung der Identität. Der charakteristische Signalverlauf eines Bildes kann aus einem Merkmal wie z. B. dem Grauwerthistogramm oder aus zusammengesetzten Merkmalen wie die Anzahl der Bildpunkte in verschiedenen Intervallen und deren mittlerem Grauwert bestehen.

4. FuzzyDecisionDesk-Image (FDDi)

Das FDDi bewertet ähnlich dem menschlichen Prüfer die Qualitätskriterien der Bildanalyseaufgabe auf der Basis von Bildmerkmalen.
Die Definition der Aufgabenstellung erfolgt regelbasiert in Form von "WENN -> DANN"- Regeln. Das FDDi leitet aus den Regeln die Entscheidung ab, ob das analysierte Werkstück z. B. als Gut-Teil, als Schlecht-Teil oder zur Nacharbeit freigegeben wird.

Die Fuzzy Bildanalyse hat sich bereits in einer Reihe anspruchsvoller Anwendungen bei verschiedenen Firmen bewährt. So hat beispielsweise die Boge GmbH seit mehr als zwei Jahren ein System zur Oberflächenanalyse (FDDs) im Einsatz und damit die Fehlerbeurteilungen von Gummimischungen drastisch gesenkt.
Der KFZ-Zulieferer Hengst Filterwerke GmbH & Co. KG in Münster setzt ein Fuzzy Bildanalysesystem zur Qualitätskontrolle in der Fertigung von Ölfiltern ein (FDDr) und hat somit die Quote fehlerhafter Teile auf ein Minimum reduzieren können.

Die Datev e.G., Deutschlands bedeutendster Dienstleister für Steuerberater und Wirtschaftprüfer, hat die Dortmunder Fuzzy Bildanalyse (FDDi) in die Fördertechnik des täglich über 40 000 Sendungen bearbeitenden Versandlagers integriert und sorgt so für eine optimale Online-Kontrolle der Beschickungs- und Verpackungsqualität der Sendungen.

"Die sprunghaft angestiegene Leistungsfähigkeit von Hardwarekomponenten in Verbindung mit der Effizienz und der Integrationsfähigkeit der Fuzzy-Software in bestehende Systeme" ist nach Ansicht von Dr. Rudolf Felix, Geschäftsführer von FLS Fuzzy Logik Systeme, "eine hervorragende Möglichkeit, Bildanalysen und Prüfaufgaben, die bisher mit der erforderten Qualität nur Menschen vorbehalten waren, nunmehr auch per PC bei einer sehr hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit zu automatisieren".
Wenn beispielsweise, wie bei Datev, Inhalte von Kartonagen auf korrekte Lage und Form überprüft werden sollen, dann ist dies für den Menschen, falls er genügend Zeit hat, kein Problem. Der Mensch kann mit Hilfe einiger weniger Beispiele von Fehlerkonstellationen in Verbindung mit seinem Erfahrungswissen Ähnlichkeiten erkennen und "falsch" und "richtig" relativ einfach unterscheiden.
Für die Maschine war bisher eine exakte Definition der Fehler mit herkömmlichen Bildverarbeitungsalgorithmen praktisch unmöglich.

Mit der Fuzzy-Software können repräsentative Beispiele von Fehlern als Referenzbasis abgelegt und die Prüflinge, wie durch den Menschen, auf Ähnlichkeiten zu den Referenzaufnahmen bewertet werden. Die Vorteile der Fuzzy-Software liegen in ihrer Flexibilität und in der Verarbeitungsgeschwindigkeit.
Bei Datev beträgt sie auf einem Pentium-PC beispielsweise einschließlich der Bildaufnahme und der SPS- Ansteuerung weniger als 250 ms pro Überprüfung.